Nettetal: FDP-Politiker Dietmar Brockes half gestern im Restaurant "Secretis" aus. Er nahm Bestellungen auf, räumte Tische ab und spülte Gläser.
Den ersten Fehler macht Dietmar Brockes beim Eindecken der Tische. Und das, obwohl der 47-Jährige im Restaurant "Secretis" in Hinsbeck nur die Teller anordnet und das Besteck daneben legt. "Er hat zuvor nicht die Belehrung nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten", erklärt Isabel Hausmann, stellvertretende Geschäftsführerin beim Dehoga Nordrhein. Der FDP-Politiker lächelt verlegen. Er befindet sich ja noch im Praktikum.
Wie einige seiner Landtagskollegen folgte Brockes dem Aufruf des Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband), sich durch einen Arbeitstagtag vor Ort einen eigenen Eindruck von den Arbeitsbedingungen des Gastgewerbes zu verschaffen. Vier Stunden lang blickte er im "Secretis" hinter die Küchentür, nahm Bestellungen der Gäste auf und räumte Tische ab. "Wenn man in ein Lokal geht, ahnt man nicht, welche Arbeit hinter allem steckt", sagt der gebürtige Nettetaler nach zwei Stunden. Da hatte er das Gläserspülen noch vor sich.
Der Dehoga wolle mit der Aktion auf etwas hinweisen: wie schwierig die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes sei. Dieser Punkt steht auf der Liste, für die der Verband eine Veränderung erreichen möchte. "Wir haben sehr stark unter Bürokratismus zu leiden", sagt Hausmann. So dürfe der Mitarbeiter erst dann das Spülmittel in die Hand nehmen, wenn er das dazugehörige Sicherheitsdatenblatt gelesen hat. Zudem müsse viel dokumentiert werden, die tägliche Kühlschranktemperatur etwa. Solche Vorgaben - auch die Belehrung nach dem Infektionsschutzgesetz, die informiert, wie Risiken für die Gäste minimiert werden - seien wichtig. "Es ist gut, dass es das gibt", sagt Hausmann. Doch das Arbeitszeitgesetz passe nicht in die Mentalität junger Leute heute, meint sie. Bislang ist nach zehn Stunden Arbeit täglich Schluss. Geht es nach dem Dehoga, sollen längere Arbeitstage möglich sein.
"Viele Betriebe haben Probleme, Beschäftigte zu finden", sagt Brockes. "Grund ist wahrscheinlich, dass man häufig arbeiten muss, wenn alle anderen frei haben." Hausmann erklärt, was der Dehoga verändern will: "Wir wollen bei der 39-Stunden-Woche bleiben, aber anders verteilen", sagt sie. Wenn eine Feier länger gehe, soll der Beschäftigte an dem Tag mehr als zehn Stunden arbeiten können - "und kommt vielleicht nur auf vier Arbeitstage pro Woche oder erscheint zum Ausgleich beim nächsten Mal später", sagt Hausmann. Dadurch könnten vielleicht neue Mitarbeiter gewonnen werden, hofft sie.
Viele der Vorgaben finde er überzogen, sagt Brockes. "Wer leistungsfähig und leistungswillig ist, dem wird sein Zusatzeinkommen genommen", meint er. Denn wer nach acht Stunden etwa im Büro am Freitagabend noch kellnern gehen wolle, dürfe das dann nur zwei Stunden, sagt Hausmann: "Davon hat er nichts." Sorgen, dass Beschäftigte unter einer Änderung leiden könnten, haben beide nicht. "Derjenige, der es nicht möchte, arbeitet nicht länger", sagt Brockes.
Thomas Weer (54), seit 14 Jahren Restaurantleiter im "Secretis", ist mit dem Praktikanten zufrieden: "Er kann die Anfänge: einfache Serviettenformen brechen, Decken wechseln sowie einsetzen von rechts, nachlegen von links und ausheben von rechts." (Rheinische Post)